>empty rooms / leere räume< basiert auf audioaufnahmen die in frankfurt am main im august/ september 2000 an verkehrskreuzungen und -überwegen mit "blindenspezifischen signaleinrichtungen" gemacht wurden. ausschnitte aus diesen aufnahmen, hier zwischen einer und zweieinhalb sekunden, werden als sich wiederholende schleifen (loops) abgespielt. dabei bewegen sich diese ausschnitte langsam in entgegengesetzter zeitrichtung vom ende der orginalaufnahmezum anfang, d.h. jede neue schleife beginnt und endet, bei gleichbleibender dauer, etwas früher als die vergangene. diesen vorgang könnte man bildlich als "scannen einer klanglandschaft" verstehen und dessen zeitliche komponente als bewegung vom zukünftigen zum vergangenen. die durch die langsame scannbewegung - verschiedene tempi im millisekunden bereich - entstehenden graduellen veränderungen in den schleifen, gefrieren das triviale umweltgeräusch sozusagen zu akustischen fotografien. gleichzeitig werden durch diese methode deren melodische und rhythmische qualitäten hervorgehoben und zum strukturierenden merkmal der komposition. das geräusch der blindensignale, als großstädtisches sonar, im zentrum der aufnahmen, entwickelt sich so zu rhythmischer wie inhaltlicher orientierung im klangraum. die komposition wurde mit einem für diesen zweck geschriebenen computerprogramm realisiert. dabei wurden ausschließlich schleifen und lautstärkeverläufe (hüllkurven) zur gestaltung verwendet, ausdrücklich kein sounddesign und keine tonhöhentranspositionen. das stück kann live am computer aufgeführt/neu realisiert werden. die vorliegende fassung wurde speziell für den rundfunk erstellt.  
 


zum begriff >radiostück/ radiopiece<

empty rooms/leere räume als methode (werkzeug) erfährt je nach aufführungszusammenhang und/oder grundmaterial unterschiedliche darstellungsformen. den begriff radiostück habe ich speziell für die aufführung im rundfunk entwickelt. er soll die spezielle spannung zwischen der inhaltlichkeit eines hörspiels und der eines komponierten (abstrakten) stückes reflektieren. hier die blindenampeln und die bedeutungsebenen, die durch die konkreten passantenzitate entstehen, dort die musikalische mustererkennung in rhythmischer und melodischer hinsicht.

 
 


Bernd Uske in der Frankfurter Rundschau vom 4.10.2000:

"empty rooms/leere räume" nennt der 1955 in Frankfurt geborene Komponist seine jüngste, in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk realisierte Arbeit und hat dabei sicherlich nicht ohne Absicht die Beziehung zu John Cage nahe gelegt, von dem es einen Werktitel namens "Empty Words" gibt. So wie der Avantgardist aus New York sich ein Konzert vorstellen konnte, bei welchem man sich einfach zu einer Bushaltestelle begibt und den Klängen daselbst lauscht, so hat der Schüler von Hubert Käppel, Klarenz Barlow und Johannes Fritsch sein Mikrofon an Frankfurter Straßenkreuzungen aufgebaut. Aber nur dort, wo an den grünen Ampelsäulen in Griffhöhe jene kleinen, gelben Kästen angebracht sind, die auch für Blinde die Verkehrsführung kenntlich machen. Das langsame und dann, beim Umschalten der Ampelfarbe, hektische Klackern des "großstädtischen Sonars" (Machnik) ist die motivische Grundlage für die gut 50-minütige Komposition geworden, die die kurzen Klacker-Impulse zu Sound-Loops verschleift. Eine Art elektro-akustisches Scannen, das beim hin- und herfahrenden Abtasten der Klangkulisse sukzessive ein Stückchen weiterkommt, streckt und verkürzt in bedächtigem Schritt die Klangfülle. Denn für den Blinden gibt es an der Kreuzung nicht nur den fortwährenden Taktstrich seines Signalgebers, sondern dazwischen zahllose Schallereignisse, die vom Autobrausen über Straßenbahngeräusche bis zu allerlei Passanten-Sätzen ("Komm mal hierher!", "Was hast du gesagt?") reicht. All das findet sich hier aufbewahrt und ausgestellt in jener eigentümlich gerasterten, monotonen Eindrücklichkeit, die dieser großen Geräusch-Tomographie eigen ist. Dabei ergeben sich herrliche Domino-Effekte, wenn sich die Klang-Scheibchen im Stile einer elektro-akustischen Echternacher Springprozession - "zwei vor und eins zurück" - zu automatischen Melodieketten mit langsam veränderten Grundierungen und unabsehbaren rhythmischen Polymetrien fügen. Die Machnik-Produktion, gerade eben erst in der HR-Sendereihe "The Artits's Corner" erstgesendet, ist eine bestens funktionierende Paradoxie: In dieser Blindenschule für die Ohren wird der Tast-Sinn des Gehörs auf intensive Weise gebildet.